Mirka Hellemacher ist 32 Jahre, lebt in Aachen und hat im Januar 2018 ihren Arbeitgeber gewechselt. Sie hat dabei bewusst ihre Arbeitszeit reduziert, ein Home Office eingerichtet und beim Stellenwechsel darauf geachtet, dass die Chemie unter den Kollegen stimmt und die Sicht ihres Arbeitgebers auf das Leben, auch zu ihrer persönlichen Einstellung passt.
Wie gut es ihr mit dieser Entscheidung geht, erzählt sie mir während eines herrlichen Stadtbummels durch ihre Heimatstadt Aachen.
Mirka, du hast deine sichere Führungsposition in einem Verband gekündigt und arbeitest seit Anfang des Jahres beim Institut für soziale Innovation in Solingen. Was hat dich zu diesem Jobwechsel bewogen?
Mirka: In den recht festen Strukturen im öffentlichen Dienst konnte ich meinen Drang freier zu leben und zu arbeiten nicht so ausleben, wie ich es mir gewünscht hätte. Und so habe ich eine neue Job-Chance ergriffen, als sie sich bot.
Grundsätzlich habe ich bewusst einen Arbeitgeber gewählt, bei dem ich mich für meine Vorstellung, das Leben freier zu gestalten nicht rechtfertigen muss. Mein jetziger Arbeitgeber vertraut darauf, dass ich selbstverantwortlich arbeite und daher ist auch das Home Office eine logische Selbstverständlichkeit für ihn. Ich fahre nur etwa alle zwei Wochen von Aachen nach Solingen, um die Kollegen und den Chef zu treffen. Den Rest machen wir telefonisch und online.“
Ich genieße die neu gewonnene Möglichkeit meine Arbeitszeit frei einzuteilen. So kann ich zum Beispiel jetzt mit dir hier in der Sonne sitzen und am frühen Abend gehe ich nochmal an meinen Schreibtisch.
Was sind deine Aufgaben beim Institut für soziale Innovation?
Mirka: Ich bin Prozessbegleiterin. Unser Institut berät öffentliche Einrichtungen, wie zum Beispiel die Wohlfahrt oder auch städtische Verwaltung zu Strategie- und Organisationsentwicklungen. Das übergeordnete Ziel ist, soziale Innovation voran zu treiben. Um ein Beispiel zu nennen, arbeite ich aktuell an einem Projekt zum Thema Bürgerschaftliches Engagement. Ziel im Prozess ist es, die sehr verschiedenen Perspektiven und Einrichtungen an einen Tisch zu bekommen und das vielfältige Potential gemeinsam für die Sache zu nutzen.
Spannend! Und das in 20 Stunden pro Woche?
Mirka: Dein Augenzwinkern verstehe ich gut. Die 20 Stunden habe ich bewusst so gewählt, denn ich kenne mich selbst sehr gut. Hätte ich meinem Arbeitgeber 40 Stunden zugesagt, wäre ich am Ende bei 60 herausgekommen. Meine Arbeit macht mir Spaß, ich bin da ganz tief drin und daher lasse ich den Stift nicht pünktlich nach 20 Stunden fallen. Auch nicht im Home Office, wo es keiner kontrolliert. Zudem ist mein Life Design so gestaltet, dass mir noch Zeit für meine Ying-Yogaausbildung und gemeinsame Pläne mit meinem Lebenspartner und seinem kleinen Reiseunternehmen bleiben. Das war früher so nicht möglich und das hat mich unzufrieden werden lassen.
Das kann ich gut verstehen und ich finde du bist ein sehr zeitgemäßes Beispiel für eine neue Bewegung in der Arbeitswelt und für die Veränderung in der Denkweise über Leben und Arbeit. Der Faktor Zeit und der empfundene Sinn in der eigenen Tätigkeit steht dabei im Fokus. Du hast das Reiseunternehmen erwähnt, lass uns doch bitte aus diesem gemütlichen „Last Exit“ – Studenten Cafe loseisen und in deine Stadt aufbrechen. Ich bin schon so gespannt.
Ein kurzer erster Eindruck von Aachen
Den alten Stadtkern von Aachen kann man am besten zu Fuß erlaufen. Und so machen wir es auch. Vom Hauptbahnhof über die Krakaustraße, wo wir im Last Exit ein köstliches Frühstück in der Sonne eingenommen haben, kommen wir am Mörgens vorbei. Mörgens ist eine Zweigstelle des Theater Aachen. Weniger pompös als das große Theater am Theaterplatz 1, Mirka empfiehlt gerade deswegen einen Besuch. Im Vorbeigehen dringen die Theaterproben durch die weit geöffneten Fenster und wir erhalten eine kostenlose Akustik Probe.
Sehr schöne Geschäfte reihen sich in der Annastraße aneinander. Aufwendig ausgestattete Wollläden, ein Handpuppen Geschäft mit einer herzigen Verkäuferin und kleine Inhaber geführte Lädchen. „Die ist arbeitsglücklich®!“ bemerkt Mirka, als wir durch das Schaufenster des Geschäfts sehen, wie die Dame mit ihren Puppen spielt und spricht. Wir sind begeistert über ihre Offenheit und die Liebe zu ihrem eigenen Produkt.
Mirka zeigt mir einen ihrer Lieblingsplätze in der Elisabethstraße 10. Ein sehr stilvolles altes und erstaunlich gut erhaltenes Schwimmbad mit Rundbögen, Gewölbe, Statuen, Wandmalerei und hübschen Fliesenbildern. Das Elisabethbad. Phänomenal schön und viel wichtiger, es ist noch in Betrieb. Wir dürfen es uns ansehen und ich bin echt hingerissen.
Danach lassen wir uns durch die engen Gassen rund um den Aachener Dom treiben und ich kann nicht sagen, welcher Blick aus welcher Gasse mir auf den Dom am besten gefällt. Von außen gefällt er mir allerdings noch besser als von innen, obwohl man das natürlich nicht vergleichen kann. Am Dom selbst ist es herrlich quirlig. Mit dem Duft aromatischer Erdbeeren eines Marktstandes in der Nase, passieren wir einige der vielen Brunnen Aachens und gelangen so zum Rathaus und zum Marktplatz.
Hier stärken wir uns und wenn ich Mirka zwischendurch heimlich betrachte, dann kann ich erkennen, wie gut sich ihre freie Arbeitszeitgestaltung anfühlen muss. Aachen wirkt auf mich gleichsam entspannt und quirlig. Hektik ist nicht zu spüren, trotz einiger Touristen, die man während ihrer Stadtführung in kleinen Trauben stehend, gut identifizieren kann. Mirka berichtet, dass es ihr persönlich zur Weihnachtsmarkt Zeit schon mal zu viel werden kann, wenn die Touristen Busse weise in die Stadt einfallen.
Vom imposanten Rathaus gehen wir Richtung Elisenbrunnen, wo man die schwefelhaltigen Quellen nicht nur sehen, sondern vor allem auch riechen kann. Der Elisenbrunnen wird immer mal wieder von Tänzern genutzt. Hier finden zum Beispiel Salsa- oder Tangoabende statt. Eine außerordentliche Location. Ich frage mich, wie die Tänzer mit dem Stinkbomben-Geruch klar kommen? Einfach wie in Trance wegtanzen, dann riecht man vielleicht nichts mehr.
Ein wenig irritiert bin ich auch über die vielen weihnachtlichen Düfte in den Straßen, war mir doch nicht klar, dass Aachener Printen nicht nur zur Weihnachtszeit konsumiert werden. Es gibt Printenbäckereien, die das Aachener Gebäck in vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen produzieren und zu allen Jahreszeiten an ihre Fans verkaufen.
Mir gefällt Aachen! Ich finde es ist eine prima Stadt für eine kurze oder auch längere Auszeit. Unbedingt hinweisen möchte ich noch auf den Stadtteil Kornelimünster im Südosten Aachens, den Puppenspieler Brunnen und die vielen Fahrradwege und Wanderwege um Aachen herum und in Richtung Belgien und der Eifel. Auf hoffentlich bald liebe Mirka!!